Projektbeschreibung: Der Bau der Evang.-Luth. Kirche St. Martin begann ca. 1350 als hochgotisches dreischiffiges Bauwerk auf romanischer Vorgängerkirche. Ab dem Mittelalter wurde sie umfangreich umgebaut, erweitert und umgestaltet. Die Kirche ist ein gutes Beispiel für den Einfluss der Baugeschichte auf die Statik. Die Eingriffe in das Tragwerk über die Jahrhunderte hinweg, insbesondere der Einbau von nachträglich gemauerten Gewölben anstelle von leichten Holzdecken, haben zu massiven Verformungen und deutlichen Schäden geführt, sodass das Bauwerk grundlegend statisch instandgesetzt werden musste.
Das interdisziplinäre Erkennen, Herausarbeiten, Nachvollziehen und Bewerten der komplexen baugeschichtlichen Einflüsse stellt eine herausragende Ingenieurleistung dar.
Die Schadensentwicklung wurde mittels eines räumlichen Gesamtsystems nachvollzogen. Das so erworbene vertiefte Verständnis der statischen Wechselwirkungen am Gebäude ermöglichte den Entwurf effektiver Sicherungen mit geringsten Eingriffen in den Bestand.
Es wurde ein statisches Sicherungskonzept erarbeitet, wobei sich die statischen Maßnahmen im Wesentlichen auf die Sicherung der Gewölbe in Form von ebenen und räumlichen Verspannungen, welche vom Kircheninnenraum nicht sichtbar sind und den Dachraum nahezu unbeeinträchtigt lassen, beschränken.
Die verwendeten Edelstahlseile sind dauerhaft und wenig temperaturempfindlich. Die Seillänge wurde dabei so gewählt, dass für zukünftiges Nachjustieren oder Nachspannen ausreichende Spannwege vorhanden sind. Der Anspannvorgang erfolgte stufenweise, wobei die Seilkräfte mit Hilfe einer Eigenfrequenzmessung kontrolliert wurden.
Die Instandsetzung des Dachstuhles erfolgte, eng abgestimmt mit der Bauforschung und der Denkmalpflege, in höchstem Maße denkmalverträglich, um die vielfältig noch vorhandenen Befunde der Baugeschichte weitestgehend zu erhalten und während der Bauzeit zu schützen.